Das Stubenberger Liederbuch
Neben dem Schloß und der Kirche hat Stubenberg einen ganz besonderen Schatz aufzuzeigen, das "Stubenberger Liederbuch", bestehend aus 2 Teilen, dem "Gesängerbuech" und dem "Zeitenbuech".
Dieses ist der größte Liedschatz alter, volkskundlicher Lieder im bayerischen Raum. Das Original befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek in München.
Kurz nach dem ersten Weltkrieg erwarb Hugo von Preen, Vorstand des Heimatkreises Braunau zwei handgeschriebene, reich verzierte Liederbücher aus dem Nachlaß eines Bauern vom Scherblhof, Gemeinde Stubenberg.
Als Zeitraum der Aufzeichnungen lassen sich aus Notizen die Jahre 1776 - 1815 bestimmen. Selbstverständlich reichen aber viele Lieder weit hinter das Jahr der Aufzeichnungen zurück.
Das erste Buch, das "Gesängerbuech" enthält über 700 Lieder, davon sind 374 geistlich, während die anderen Weltliches zum Gegenstand haben. Die geistlichen Lieder sind dem Inhalt nach sehr mannigfaltig, am zahlreichsten sind die Lieder zur Christusverherrlichung (130, darunter sehr schöne mundartliche Hirtenlieder) und die Marienlieder (75). Sehr interessant sind auch einige alte Totenlieder. Unter den weltlichen Liedern nehmen die Liebeslieder den ersten Rang ein. Ausserdem enthält der weltliche Teil eine Reihe von Standesliedern, Naturliedern, Lieder über allerlei Sitten und Bräuche, ferner geschichtliche Lieder, darunter 32 Kriegslieder, die hauptsächlich die Franzosenkriege unter Napoleon zum Thema haben.
Noch schöner ausgestaltet und mit reich verzierten Initialen sowie bäuerlichen Miniaturen geschmückt, ist das zweite Buch, das "Zeitenbuech". Der Name kommt daher, weil der Inhalt des Buches nach den "Zeiten" (Festen) des katholischen Kirchenjahres geordnet ist. Die Handschrift beginnt im Advent und läuft das ganze Kirchenjahr durch. In diesem Buch sind etwa 100 Lieder überliefert, auch sog. "Rufe", die im Ursprung noch aus dem 12. Jhd. stammen, als man erstmals begann, es anstelle der lateinischen Texte mit kurzen deutschen Liedstrophen zu versuchen.
Was die Schreibung in den Stubenberger Büchern anbelangt, so gilt für die geistlichen Lieder das gleiche wie für die weltlichen: völlige Willkür in der Rechtschreibung, das gleiche Wort oft in derselben Strophe verschieden geschrieben. Die Hirtenlieder stehen zum Großteil in bayerisch-österreichischer Mundart. Manchmal, wie beim Lied "In der Still um Mitternacht", hat es eingangs den Anschein, als sollte es in Schriftsprache gesungen werden; dann aber, zunehmend von Strophe zu Strophe, kommen immer mehr mundartliche Wörter. Die letzten Strophen sind schon durchwegs mundartlich gehalten.
Das Buch geht durch die heiligen Feste des Jahres in der Weise, daß immer auf ein Gebet für den betreffenden Feiertag passend - ein Festlied oder auch mehrere darauf bezügliche Lieder folgen. Insgesamt enthält das "Zeitenbuech" hundert Lieder, darunter Weihnachts- und Hirtenlieder, teilweise in Mundart geschrieben. Allesamt ungefähr gleichen Inhalts und auch im Aufbau einander ähnlich, sind sie doch in den Einzelheiten so reich an Abwechslung, daß jedes für sich eine Perle echter Volksdichtung darstellt.
Die gesammelten Lieder dürften in der Gegend von Stubenberg auch gesungen worden sein. Es ist kaum anzunehmen, daß der Einödbauer viel weiter als nach Altötting, Braunau oder Passau gekommen ist. Die Wallfahrer und fahrendes Volk ließen die schon immer sangesfreudigen Stubenberger aufhorchen, wenn sie eine neue Weise zu hören bekamen. Von ihnen hörten sie die Lieder, die aus dem Salzburgischen, aus dem Ruppertiwinkel oder aus dem Bayerischen Wald hierher drangen.
Auszüge
Gesang über den Namen Maria
1.
Maria du edler Rosengarte
von Blumen vil edler arte,
Jesus glorieret,
das bluemen werkh florieret
schön lieblich beysammen
und mancherley nahmen:
Ave Maria
3.
Riechen da schön die Veigelein,
der Majoram und Nägelein,
roth rossen weis Lilgen
hiacint Bassilgen
diese edle Narcissen
und himmlische Schlüssel:
Ave Maria
2.
Ach ist das nich ein rittersporn
ein Jungfrau zur Mutter erkohrn
o zardte Viollen,
wer wolt sie nacht hollen,
die Bluemen abbrechen,
Mariam aussprechen:
Ave Maria
4.
In Ehrenpreyss und Wohlgemueth,
mein herze sich erquikhen thuedt,
da wer ich abflokhen (pflücken)
die silberne Glokhen
schön Rossa Maria
o dulcis o pia
Jungfrau Maria
Lied zur Gnadenmutter von Stubenberg
1.
Sei gegrüßt zu tausend malen,
o Maria Jungfrau mein.
Wir dir all zu Füßen fallen,
leg für uns ein Fürbitt ein.
4.
Ach, laß uns dein Gnad genießen,
höre unser´ Seufzer an,
die wir sammentlich ausgießen,
hier vor deinem Gnadenthron.
2.
Denn du bist die Muttergottes,
und die Braut des heiligen Geist.
Gott dem Vater reine Tochter
und Hilf der ganzen Christenheit.
5.
Deine Lieb ist unaussprechlich,
die du zu den Menschen tragst,
weilen du dir jetzt noch täglich
neue Gnadenthron aufschlagst
3.
Wann wir dich tun recht anschauen,
hier in deinem Gnadenbild
können wir ja sicher trauen,
daß du bist die Mutter mild.
6.
Dies ist unser höchst Begehren,
dieses ist an dich die Bitt:
Tue gnädig uns erhören,
o Maria abschlag uns nit.